Überraschenderweise ist das Hauptthema im Wahlkampf Immigration. Immigration ist das größte Problem, das wir in Deutschland haben. Also nicht etwas das kaputt gesparte Gesundheitssystem, die damit einhergehende desolate Situation in Krankenhäusern und der Pflege, unsere auseinanderfallenden Schulen und neuerdings auch unser NATO Problem:
Nein. Immigration. Alles geht auf die übermäßige und unkontrollierte Immigration zurück.
Ist schon erstaunlich, was uns unsere Volksvertreter so zutrauen. Oder eher nicht zutrauen. Ein paar Beispiele:
Du bekommst keinen Termin beim Arzt? Die Immigration ist schuld.
Du fühlst dich nicht mehr sicher, wenn du abends in der U-Bahn fährst? Immigration ist schuld.
Die ganzen Firmen gehen pleite? Immigration - ach nee, halt, wir wollen gerecht sein - die grüne Energiewende ist schuld (anderes Thema).
Deutschland muss wieder sicher werden!
Ich weiß ja, mit Fakten kann man keinen überzeugen, aber an dieser Stelle trotzdem ein kleiner Exkurs. Deutschland ist erst einmal sicherer als vor 20 Jahren.
"Haha, so ein Quatsch! Ständig wird wer vergewaltigt, umgebracht und überhaupt!"
Ok. Ich weiß, dass viele denken (und auch fühlen) dass Deutschland immer unsicherer wird. Aber woher kommt dieses Gefühl und warum ist das so?
Es fällt auf, dass die Straftaten im Vergleich zu den Vorjahren gestiegen sind. Von 2022 bis 2023 um 5,5% auf 5.9 Mio. von 5.6 Mio. im Vorjahr. Im Jahr 2023 überstiegen wir den Wert von 2017, der bei 5.76 Mio. lag.
Aber: Den höchsten Wert erreicht Deutschland im Jahr 1993 mit 6.75 Mio. Straftaten.
Eine Frage zwischendurch: Habt ihr euch 1993 so unsicher gefühlt wie heute? Behaltet den Gedanken mal im Hinterkopf.
"Straftaten heißt ja nix, es herrscht ja Mord- und Totschlag!"
Stimmt. Straftaten heißt erst mal nix, es soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass die meisten der in der Statistik erfassten Straftaten Diebstahldelikte (2 Mio.) gefolgt von 990.000 Fällen von Vermögens- und Fälschungsdelikten sind. Aber kommen wir zurück auf "Mord- und Totschlag".
Im Jahr 2000 gab es in Deutschland 497 Todesopfer im Jahr 2023 waren es 299.
Und ich frage an der Stelle noch mal: Habt ihr euch im Jahr 2000 unsicher gefühlt? Und wenn ja, warum?
Funfact am Rande: Die sichersten Bundesländer sind übrigens Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und - Überraschung - Rheinland Pfalz mit einem Anteil von 0,4 Morden pro 100.000 Einwohner. Am gefährlichsten ist es übrigens im Saarland mit 1.8 Morden auf 100.000 Einwohner.
Der Anteil an "Ausländern" (darunter fallen auch Straftaten von Touristen) unter den Tätern an der Gesamtstatistik beträgt übrigens 41,1 % - daraus lässt sich schließen, dass 58,9 % der Täter "Deutscher Abstammung" sind.
Hilft aber ja alles nix, die Leute haben Angst.
Ich wurde allen Ernstes einmal gefragt, ob mich jemand nach einem Restaurantbesuch zu meinem Auto (2 Minuten entfernt) bringen soll, weil es ja schon Dunkel und nicht sicher ist. Ich wohne auf dem Dorf. Ja, Einzugsgebiet Frankfurt, aber ehrlich? Habe mich bedankt und abgelehnt, war ja auch nur nett gemeint.
Aber diese Angst vor der gestiegenen Kriminalität ist überall spürbar und wird von Medien und auch politischen Parteien befeuert. (Anmerkung: Ich möchte damit nicht in Abrede stellen, dass wir Probleme bei der Migration haben, mE vordergründig bei der Integration. Was wird definitiv haben, ist ein Problem an gewaltbereiten Menschen. Aber: Deutschland war so gesehen nie so sicher wie heute.)
Wenn ich mir die Sozialen Medien anschaue, werden häufig die Gewalttaten, bei denen ein Ausländer beteiligt war, mehrfach geteilt, weil es das Narrativ bedient, dass wir ein Problem mit gewaltbereiten Ausländern haben. Ja, auch unter den Ausländern gibt es gewaltbereite Menschen, keine Frage. Aber unter den Deutschen nicht? Also hab ich mir mal angeschaut, was gern in die großen Schlagzeilen kommt und was nicht. Das ist jetzt mal eine Sammlung vom 17.01.-18.02.2025, die ich auf die Schnelle zusammengestellt habe:
Jetzt die Frage: Wieviel davon, habt ihr wahrgenommen? Und ich verrate es jetzt einmal, die Gemeinsamkeit der o.g. Fälle ist: alle Täter waren Deutsche.
Es geht mir nicht darum, Taten klein zu reden oder einer Tat mehr Bedeutung zuzumessen als einer anderen. Alle diese Taten sind schlimm. Jeder Toter ist einer zu viel. Und manchmal habe ich in der Tat den Verdacht, dass alle Menschen immer aggressiver und bösartiger werden – aber das ist in der Tat meine „gefühlte Wahrheit“, ich kann das nicht belegen.
Der Punkt ist: Über diese Taten diskutieren wir nicht. Wir diskutieren und empören uns nur über Taten, die von Ausländern verübt wurden, weil es unser Narrativ befriedigt, dass uns irgendwer aufs Auge drückt. Kann man ja jetzt im Wahlkampf auch beobachten: Das vorherrschende Thema ist die Migration und die damit einhergehende angebliche erhöhte Unsicherheit in Deutschland. Die Daten geben das nicht her.
Man soll ja immer mit etwas positivem enden, daher oben gezeigte Statistik.
Dazu befragt, wie zufrieden die Menschen in Deutschland insgesamt mit dem Leben, das sie führen sind, haben 87 % mit sehr zufrieden/ziemlich zufrieden geantwortet, während 13 % nicht sehr zufrieden/ überhaupt nicht zufrieden geantwortet haben.
Das ist ja vielleicht auch schon mal ein Anfang.
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